Zone 2 Training – überbewertet?
- Sportfabrik Winterhalter
- 26. Nov.
- 4 Min. Lesezeit
Warum moderate Intensität nicht immer optimal ist

Zone 2 Training ist in den letzten Jahren zu einem der größten Fitness-Trends geworden.
Ob in Podcasts, auf YouTube oder in Fitness-Apps – überall hört man: „Bleib in Zone 2, das ist der Sweet Spot für Fettverbrennung und Gesundheit.“
Doch eine neue, umfassende wissenschaftliche Analyse mit 167 Studien bringt diesen Mythos ins Wanken. Sie zeigt:Zone 2 ist nicht die „optimale“ Intensität, um Mitochondrien aufzubauen oder Fettverbrennung zu steigern – zumindest nicht für die meisten von uns.
Was Zone 2 überhaupt ist – und warum es so beliebt wurde
Zone 2 bezeichnet eine moderate Trainingsintensität, bei der du dich noch gut unterhalten kannst, aber schon merkst, dass du arbeitest.
Typische Beispiele:
zügiges Gehen,
lockeres Radfahren,
langsames Joggen.
Physiologisch liegt Zone 2 unter der sogenannten ersten Laktatschwelle (LT1) – das ist der Punkt, an dem der Körper gerade beginnt, mehr Laktat zu produzieren, als er wieder abbauen kann. In diesem Bereich verbrennt der Körper vor allem Fett als Energiequelle, und genau das machte Zone 2 so attraktiv:
Die Idee, „Fett zu verbrennen, während man gemütlich radelt“, klingt einfach zu verlockend – vor allem für Menschen, die Training mit Stress oder Überforderung verbinden.
Zudem kursierte die Aussage, dass höhere Intensitäten diese positiven Anpassungen „kaputt machen“ – also, dass zu hartes Training die Mitochondrien weniger effektiv trainiere.Klingt plausibel, oder?
Nur: Diese Theorie hält wissenschaftlich nicht stand.
Was die aktuelle Forschung wirklich zeigt
Das Forscherteam um Prof. Brendon Gurd (Queen’s University, Kanada) hat sich die gesamte bisherige Studienlage angesehen – 167 Studien zu Mitochondrien, Fettstoffwechsel und Trainingsintensität.
Das Ergebnis war eindeutig:
Mitochondrienwachstum:
Je höher die Trainingsintensität, desto stärker die Anpassung.
Der Grund: Hohe Intensitäten erzeugen einen größeren Energiestress in der Muskulatur. Das zwingt den Körper, mehr Mitochondrien zu bilden, um künftig besser mit dieser Belastung umgehen zu können.
Zone 2 ist dafür schlicht zu „bequem“.
Fettverbrennung:
Ja, Zone 2 trainiert die Fähigkeit, Fett als Energiequelle zu nutzen.
Aber: Höhere Intensitäten tun das genauso – und meist sogar besser.
Entscheidend ist nicht, wie viel Fett du während des Trainings verbrennst, sondern welche Anpassungen langfristig entstehen.
Gesamtwirkung:
Wer seine wenigen Trainingsstunden (z. B. 2–4 h pro Woche) hauptsächlich mit Zone 2 verbringt, nutzt seine Zeit nicht optimal.
Denn: Der gesundheitliche, stoffwechselaktive und kardiovaskuläre Nutzen steigt deutlich, wenn du öfter auch an deine Grenzen gehst.
Warum der Mythos entstand – und für wen Zone 2 wirklich sinnvoll ist
Die Wurzeln des Hypes liegen im Spitzensport. Professionelle Ausdauersportler trainieren oft 15–25 Stunden pro Woche – also ein Vielfaches dessen, was normale Menschen leisten. Sie verbringen rund 80 % ihrer Zeit in Zone 2 – aber die restlichen 20 % sind hochintensive Einheiten, die den entscheidenden Leistungszuwachs bringen.Zone 2 ist für sie eine Art „Füllstoff“, um viel Volumen zu schaffen, ohne das Nervensystem und den Bewegungsapparat zu überlasten.
Für Hobbysportler mit 2–4 Stunden pro Woche funktioniert das nicht.Denn sie brauchen keine Entlastung vom Hochleistungstraining, sondern einen Reiz, der überhaupt erst Anpassungen auslöst.
Oder anders gesagt:
Was für Profis „Erholungstraining“ ist, ist für viele Freizeitsportler schlicht zu wenig, um Fortschritte zu machen.
Was das konkret für dein Training bedeutet
Wenn du nur begrenzt Zeit zum Trainieren hast – und das ist bei fast allen so – dann solltest du sicherstellen, dass deine Einheiten effektiv genug sind, um wirklich etwas zu verändern.
💡 1. Intensität schlägt Dauer
Kurze, intensivere Einheiten bringen mehr Reiz für Mitochondrien, Herz-Kreislauf-System und Stoffwechsel.
Das kann ein strukturiertes Intervalltraining sein, CrossTraining, funktionelles Krafttraining oder auch eine fordernde Runde mit der Kettlebell oder gar eine anstrengende Kampfsporteinheit.
💡 2. Zone 2 bleibt sinnvoll – aber als Ergänzung
Niedrigintensive Bewegung ist hervorragend für Regeneration, Durchblutung, Stressabbau und allgemeine Aktivität.
Plane sie als Zusatz, nicht als Ersatz für forderndes Training. Ein Spaziergang in der Mittagspause oder eine gemütliche Radrunde am Wochenende – perfekt.
💡 3. Mach’s dir nicht zu gemütlich
Ein gutes Training darf (und soll) anstrengend sein.
Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern genau der Stimulus, den dein Körper braucht, um stärker, belastbarer und gesünder zu werden.
„Ein bisschen brennen“ ist nicht gefährlich – es ist der Unterschied zwischen Bewegung und Training.
Der wichtigste Punkt: Kontext zählt
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind nie schwarz-weiß.Zone 2 ist nicht schlecht – sie ist nur nicht für jeden Zweck gleich sinnvoll.Wenn du deine Ausdauerleistung gezielt steigern oder dich von sehr intensiven Einheiten erholen willst, hat Zone 2 absolut ihren Platz.
Aber wenn du fitter, stärker und metabolisch gesünder werden willst – und du trainierst nur wenige Stunden pro Woche – dann bringt dich intensiveres Training deutlich weiter.
Mein Fazit als Coach
Ich sehe in der Praxis oft, dass Menschen mit guten Absichten „im Wohlfühlbereich hängenbleiben“. Sie bewegen sich regelmäßig, aber selten intensiv genug, um echte Anpassungen zu provozieren.
Das ist die Komfortzone, in der Fortschritt ausbleibt.
Wenn du also deine Trainingszeit wirklich effektiv nutzen willst, gilt:
Trainiere smart – aber auch mutig.
Zone 2 ist Bewegung. Intensität ist Veränderung.
Und das Schöne daran:
Wenn du dich regelmäßig forderst, wird sogar Zone 2 irgendwann intensiver – weil dein ganzer Körper leistungsfähiger geworden ist.
Oder, um es mit meinen Worten zu sagen:
Mach es dir nicht immer bequem. Such dir bewusst Phasen der Unbequemlichkeit – nicht um dich zu quälen, sondern weil genau das wirksam ist.






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