Sicher, stark, schmerzfrei:
- Sportfabrik Winterhalter
- 24. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Warum dein Nervensystem den Unterschied macht – und wie wir in der Sportfabrik anders trainieren

Wenn wir über Training, Schmerzfreiheit oder Rehabilitation sprechen, denken viele Menschen zuerst an Muskeln, Gelenke oder Fitness. Doch die zentrale Steuerungsinstanz für all das ist unser Nervensystem – und wer seine Mechanismen versteht, erkennt schnell, warum herkömmliche Ansätze oft zu kurz greifen.
Die Grundaufgabe des Gehirns: Wahrnehmen – Bewerten – Reagieren
Das Gehirn erfüllt im Kern drei zentrale Aufgaben:
Informationen aufnehmen (Input): Über Augen, Ohren, Gleichgewichtsorgan, Rezeptoren in Muskeln und Gelenken sowie über Signale aus dem Inneren des Körpers strömen ununterbrochen Daten ein.
Bedeutung zuweisen (Bewertung): Das Gehirn entscheidet, ob diese Informationen auf Sicherheit oder Gefahr hindeuten.
Reaktionen erzeugen (Output): Je nach Einschätzung folgen Bewegungen, Gedanken, Emotionen – oder auch Schutzmechanismen wie Schmerz.
Damit wird klar: Das Nervensystem arbeitet nicht primär nach dem Motto „Bewegung um der Bewegung willen“, sondern verfolgt immer ein Ziel – Überleben und Sicherheit.
Schmerz als Schutzreaktion – keine reine Gewebeschädigung
Die neurowissenschaftliche Forschung der letzten Jahre hat klar gezeigt: Schmerz ist kein reines Signal aus dem Gewebe, sondern ein Output des Gehirns. Besonders im Bereich der chronischen Schmerzen ist dies entscheidend. Hierbei handelt es sich nicht um akute Verletzungen, sondern um ein Schutzprogramm des Nervensystems, das das Verhalten verändern soll.
Studien belegen, dass strukturelle Veränderungen an der Wirbelsäule nicht automatisch Schmerzen verursachen. In einer großangelegten Übersichtsarbeit zeigte sich, dass Bandscheibenvorfälle, Arthrose oder andere Veränderungen im MRT ebenso häufig bei beschwerdefreien Menschen vorkommen wie bei Patienten mit Rückenschmerzen. Schmerz korreliert also nicht zwangsläufig mit strukturellen Befunden.
Das Gehirn entscheidet vielmehr, ob und wann Schmerz erzeugt wird – abhängig davon, wie hoch die empfundene Bedrohung ist.
"Imaging findings of spine degeneration are present in high proportions of asymptomatic individuals, increasing with age. Many imaging-based degenerative features are likely part of normal aging and unassociated with pain. These imaging findings must be interpreted in the context of the patient's clinical condition."
Systematic Literature Review of Imaging Features of Spinal Degeneration in Asymptomatic Populations (Brinjikji et al., 2015)
Schutzreaktionen des Nervensystems
Neben Schmerz stehen dem Nervensystem zahlreiche weitere Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, um uns zu bremsen und zu schützen:
Muskelschwäche
Erhöhte Muskelspannung oder Unbeweglichkeit
Schwindel
Migräne oder Kopfschmerzen
Müdigkeit
Übelkeit
Diese Outputs sind keine „Fehler“, sondern gezielte Anpassungen mit dem Ziel, Belastung zu reduzieren und Sicherheit wiederherzustellen.
Das „Stresskonto“
Ein hilfreiches Modell ist das sogenannte Stresskonto: Alle Stressoren – sei es mangelnder Schlaf, alte Verletzungen, Bewegungsmangel, emotionale Belastungen oder auch sensorische Defizite – füllen dieses Konto. Solange noch Platz ist, bleibt das System stabil. Doch sobald das Konto einen gewissen Pegel überschreitet, reagiert das Gehirn mit den genannten Schutzmechanismen. Schmerz ist damit das sichtbare Symptom einer Überlastung des Gesamtsystems.
Orientierung wie ein GPS: Die drei „Satelliten“
Um sich sicher im Raum bewegen und handeln zu können, braucht das Gehirn präzise Daten. Ein anschaulicher Vergleich ist das GPS-System: Nur wenn mindestens drei Satelliten stabile Signale liefern, lässt sich die Position zuverlässig bestimmen.
Im Körper entsprechen diese drei „Satelliten“:
Visuelles System – die Augen und die Verarbeitung visueller Informationen
Vestibuläres System – das Gleichgewichtsorgan im Innenohr
Propriozeptives System – die Rückmeldung aus Muskeln, Gelenken und Faszien über Körperposition und Bewegung
Arbeiten diese Systeme nicht kohärent, verliert das Gehirn Vertrauen in die eigene Körperkarte. Die Folge: Das Stresskonto füllt sich schneller, und Schutzreaktionen wie Schmerz, Verspannung oder Unsicherheit in der Bewegung treten auf.
Konsequenzen für Training, Leistung und Rehabilitation
Die meisten klassischen Ansätze in Training und Reha konzentrieren sich fast ausschließlich auf Muskeln, Bewegungsapparat und Ausdauer. Damit bleibt ein entscheidender Aspekt unberücksichtigt: das Nervensystem und seine drei zentralen Informationsquellen.
Leistungssteigerung: Nur ein Gehirn, das verlässliche und präzise Daten aus seinen drei “Satelliten” erhält, lässt maximale Kraft, Schnelligkeit und Koordination zu.
Rehabilitation: Wer nach Verletzungen nur lokal trainiert, ohne das Nervensystem einzubeziehen, erreicht oft nur kurzfristige Effekte.
Schmerzfreiheit: Nachhaltige Verbesserung entsteht nur dann, wenn die Schutzreaktionen verstanden und adressiert werden – und das gelingt nur durch die Arbeit mit allen drei Satelliten.
Fazit
Das Nervensystem ist die Schaltzentrale von Schmerz, Leistung und Heilung. Wer seine Funktionsweise versteht, erkennt: Training ohne Einbeziehung von Augen, Gleichgewichtssystem und Propriozeption bleibt unvollständig.
Wer wirklich nachhaltige Ergebnisse erzielen will – sei es Schmerzfreiheit, Leistungssteigerung oder erfolgreiche Rehabilitation – muss mit dem Nervensystem arbeiten. Nur so schöpfen wir das volle Potenzial aus.






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