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Schmerz verstehen: Warum dein Gehirn das letzte Wort hat

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Viele Menschen glauben immer noch: „Wenn etwas wehtut, muss etwas kaputt sein.“Doch moderne Neurowissenschaft zeigt eindeutig: Schmerz entsteht nicht in Muskeln, Gelenken oder Nervenenden – sondern im Gehirn.

Das klingt im ersten Moment vielleicht ungewohnt, ist aber eine gute Nachricht. Denn wenn Schmerz nicht nur ein „Defektanzeiger“ ist, sondern ein Schutzsignal unseres Nervensystems, dann bedeutet das: Es gibt viele Wege, wie wir ihn positiv beeinflussen können.



Mythos 1: Schmerz = Gewebeschaden


Früher dachte man, es gäbe spezielle „Schmerzrezeptoren“ im Körper, die direkt an das Gehirn melden, wenn Gewebe verletzt wird. Mehr Schaden = mehr Schmerz.


Heute wissen wir: So einfach ist es nicht.

  • Menschen können schwere Verletzungen haben (z. B. Knochenbrüche nach einem Unfall) und trotzdem erstaunlich wenig Schmerzen spüren – oft, weil sie in einer Stresssituation sind und der Körper andere Prioritäten setzt.

  • Umgekehrt leiden viele unter starken Schmerzen, obwohl in Röntgen oder MRT keine Verletzung sichtbar ist.


👉 Schmerz und Gewebeschaden hängen also zusammen – aber nicht linear. Er ist mehr wie ein „Alarm“, den dein Gehirn je nach Situation lauter oder leiser stellt.



Mythos 2: Es gibt ein „Schmerzzentrum“ im Gehirn


Lange suchten Forschende nach einem zentralen Schalter, der Schmerz „an- oder ausschaltet“. Doch moderne Bildgebung zeigt klar: Es gibt kein einzelnes Schmerzzentrum.


Stattdessen arbeitet eine ganze „Schmerz-Matrix“ zusammen – ein Netzwerk aus Bereichen, die unter anderem für Aufmerksamkeit, Emotionen, Erinnerungen, Bewegung und Körperwahrnehmung zuständig sind.


Das erklärt, warum derselbe Reiz bei zwei Menschen ganz unterschiedlich wirken kann:

  • Der eine empfindet ihn kaum als störend.

  • Der andere spürt ihn als sehr schmerzhaft.



Deine drei „GPS-Systeme“ und Schmerz


Um unsere Umwelt sicher zu navigieren und Bewegungen zu steuern, nutzt das Gehirn drei große Informationsquellen – sozusagen drei eingebaute „GPS-Systeme“:


  1. Visuelles System – die Augen liefern Orientierung und Lageinformationen.

  2. Vestibuläres System – das Gleichgewichtsorgan im Innenohr meldet, wo „oben“ und „unten“ ist und wie wir uns bewegen.

  3. Propriozeptives System – Sensoren in Muskeln, Gelenken und Faszien geben Rückmeldung über Körperposition und Spannung.


Das Gehirn gleicht diese Informationen ständig miteinander ab, um ein „Körper-Mapping“ zu erstellen: ein inneres Bild davon, wo sich unser Körper im Raum befindet.


Was passiert bei einem „sensory mismatch“?

Wenn diese drei Systeme nicht dieselbe Sprache sprechen, also widersprüchliche Informationen liefern, entsteht ein sogenannter sensory mismatch.

Beispiel:

  • Dein Gleichgewichtssystem meldet „alles stabil“,

  • deine Augen registrieren Bewegung (z. B. im Auto beim Lesen),

  • deine Propriozeption ist uneindeutig.


Ergebnis: Schwindel, Übelkeit – oder eben Schmerz.


Auch wenn Informationen fehlen oder das innere Körper-Mapping unklar ist, kann das Gehirn Sicherheit vermissen und vorsichtshalber Schmerz erzeugen: „Stopp – hier stimmt was nicht!“


Die gute Nachricht: Diese Systeme lassen sich trainieren. Je klarer und koordinierter die Informationen an dein Gehirn gehen, desto weniger Grund hat es, Schutzschmerz auszulösen.



Schmerz ist ein Schutzsignal – kein Defekt


Am besten lässt sich Schmerz als Handlungsaufforderung verstehen:„Achtung, hier könnte Gefahr drohen – verändere etwas!“


Dieses Schutzsignal kann durch viele Faktoren ausgelöst werden:

  • Körperlich: eine ungewohnte Bewegung oder instabile Körperwahrnehmung

  • Emotional: Stress, Ärger oder Angst

  • Gedanklich: negative Erwartungen oder Erinnerungen an frühere Verletzungen

  • Sensorisch: Widersprüche oder Unsicherheit in den GPS-Systemen


Das bedeutet: Selbst wenn kein akuter Schaden im Gewebe vorhanden ist, kann dein Gehirn Schmerz erzeugen – wenn es die Situation als potenziell bedrohlich bewertet.



Schmerz ist individuell


Warum spüren manche Menschen bei einer Bewegung sofort starke Schmerzen, während andere kaum etwas merken?Die Antwort: Schmerz ist immer hochindividuell.


Ein paar Faktoren, die ihn beeinflussen:

  • Kontext: Ein Schlag im Fußballspiel fühlt sich anders an als derselbe Schlag im Alltag.

  • Emotion: Gute Stimmung oder Lieblingsmusik kann Schmerz dämpfen, Stress verstärkt ihn oft.

  • Aufmerksamkeit: Wer stark auf den Schmerz achtet, empfindet ihn meist intensiver. Ablenkung kann ihn deutlich verringern.

  • Erwartung: Wenn du glaubst „Das wird weh tun“, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich so ist.

  • Sensorische Klarheit: Je besser deine GPS-Systeme zusammenarbeiten, desto weniger „Fehlalarme“ muss dein Gehirn erzeugen.


Kurz gesagt: Schmerz hängt nicht nur von deinem Körper ab, sondern auch davon, wie dein Gehirn die Situation einschätzt und ob es verlässliche Informationen bekommt.



Was bedeutet das für dich?


Wenn Schmerz eine Schutzreaktion deines Nervensystems ist, dann heißt das:

  • Dein Schmerz ist real, auch wenn keine Verletzung im Bild oder Labor sichtbar ist.

  • Du kannst Schmerz beeinflussen, indem du dein Nervensystem beruhigst, deine GPS-Systeme trainierst und deinem Gehirn neue, sichere Erfahrungen gibst.


Hilfreiche Strategien können sein:

  • Bewegung: sanfte, regelmäßige Bewegung signalisiert Sicherheit.

  • Atmung & Entspannung: beruhigen das Nervensystem.

  • Sensorik-Training: gezielte Übungen für Augen, Gleichgewicht und Propriozeption machen dein Körper-Mapping klarer.

  • Positive Erfahrungen: kleine Erfolgsmomente verändern deine Schmerzwahrnehmung.

  • Stressmanagement: weniger Anspannung bedeutet oft weniger Schmerz.


Die Forschung zeigt klar: Wissen über Schmerz reduziert Angst – und das allein kann ihn bereits lindern.



Fazit: Wissen ist der erste Schritt


Schmerz ist keine simple Alarmanlage für Gewebeschäden. Er ist ein komplexes Schutzsignal des Gehirns, das viele Faktoren berücksichtigt – auch, wie klar und stimmig deine drei GPS-Systeme Informationen liefern.


Wer dieses Prinzip versteht, verliert die Angst vor Schmerz – und gewinnt neuen Handlungsspielraum.


👉 Genau dabei möchte ich dir helfen: weg von Hilflosigkeit, hin zu mehr Wissen, Bewegung und Selbstvertrauen.

Wenn du selbst mit Schmerzen kämpfst oder jemanden kennst, der lange keine Lösung gefunden hat – lass uns gerne einen Termin vereinbaren:Zum Kennenlern-Termin


Gemeinsam finden wir heraus, wie du dein Nervensystem beruhigen, deine GPS-Systeme trainieren und dich wieder frei bewegen kannst.

 
 
 

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