Die Art, wie wir (meist unbewusst) atmen hat sehr großen Einfluss auf die unterschiedlichsten Systeme unseres Körpers. So kann die Atmung z.B. Grund dafür sein, dass wir in der Mitte eines Workouts einen Energieeinbruch verspüren. Mit der “richtigen” Atmung können wir unsere Leistungsfähigkeit steigern, indem wir über die Atmung Einfluss auf das Nervensystem nehmen und damit unsere Bewegungsqualität verbessern, die Aufmerksamkeit erhöhen und die Effizienz optimieren können.
Was bedeutet also eine “effizientere” Atmung? Wir sprechen von einer effizienteren Atmung, wenn wir uns auf die Atemmechanik und das Atemtempo bewusst konzentrieren. Meist läuft die Atmung unbewusst und nebenher. Dabei verfallen wir dann oft in weniger optimale Atemmuster, die es uns womöglich schwerer machen, unseren Körper optimal mit Sauerstoff zu versorgen und damit letztlich unsere sportliche Leistung mindern können.
Wie können wir also durch eine “bessere” Atmung sicherstellen, dass unser Körper optimal mit Sauerstoff versorgt wird und sein volles Leistungspotential bereitstellen kann?
Bevor wir uns den Grundlagen einer effizienten Atmung nähern, werfen wir zunächst noch einen Blick auf die Zusammenhänge von Atmung mit anderen Bereichen unseres Körpers.
Warum effizientes Atmen wichtig ist
Unser Gehirn setzt sich aus verschiedenen Arealen zusammen, die jeweils ganz bestimmte Funktionen haben. So gibt es Regionen, die z.B. für bewusste Bewegung und Motorik verantwortlich sind, andere für die Sinneswahrnehmung und wiederum andere für die Steuerung von unbewussten Körperfunktionen (autonomes bzw. vegetative Nervensystem), wie z.B. Muskeltonus, Verdauung, Herzfrequenz, Blutdruck und auch unsere Atmung. Die Atmung stellt dabei eine Ausnahme dar, da sie sowohl unbewusst und automatisch ablaufen als auch bewusst gesteuert werden kann. Und genau darin liegt auch zugleich der Schlüssel. Denn wann immer wir die Atmung bewusst steuern, können wir damit zugleich Einfluss auf die im sog. unterbewusst ablaufenden Prozesse nehmen. Darin liegt auch die Gemeinsamkeit aller nur denkbaren Atemtechniken: Aufmerksamkeit! Wir lenken unsere bewusste Aufmerksamkeit auf einen sonst automatischen Prozess und können damit folgende positive Ergebnisse erzielen:
körperliche Leistungsfähigkeit verbessern
kognitive Leistungsfähigkeit steigern
Schmerz reduzieren
Stress vermindern
Schlaf verbessern
Blutdruck verbessern
und sogar das Immunsystem steigern
First Things First - Grundlagen der Atmung
Die zwei wichtigsten Merkmale einer effizienten Atmung sind:
Zwerchfell- oder auch Bauchatmung anstatt der Brustatmung und
Nasenatmung.
Eine oberflächliche und schnelle Brustatmung ist sehr ineffizient und bietet dem Körper keine optimale Sauerstoffversorgung und steigert zusätzlich das Stressempfinden. Genauso ist auch das Atmen durch den Mund aus mehreren Gründen problematisch. Man tendiert zu Hyperventilation und über einen längeren Zeitraum gewöhnt sich der Körper (genauer das Gehirn) an das übermäßige Angebot an Sauerstoff und reagiert dann überempfindlich bei z.B. sportlicher Belastung, wenn vermehrt Sauerstoff benötigt wird.
Die gute Nachricht ist, dass wir das dank der Neuroplastizität unseres Gehirns mit bereits wenig (aber regelmäßiger) Übung ändern und verbessern können.
So lassen sich z.B. die Satzpausen bei einem Workout nutzen, um sich auf die Zwerchfellatmung zu konzentrieren oder bestimmte Atemübungen anzuwenden, was dem Körper mehr Sauerstoff und damit mehr Energie bietet um auch ein längeres Training durchzustehen und bis zum Ende stark zu bleiben.
Wie bei jeder Gewohnheitsänderung ist es ratsam, zunächst mit kleinen und einfachen Schritten zu beginnen. So eignen sich dazu zum Beispiel die Übungen zur Verbesserung von Beweglichkeit oder Stabilität, wie wir sie zu Beginn unseres CrossTrainings im Warmup finden. Die geringere Intensität dieser Übungen erlauben es, währenddessen auf eine korrekte Bauchatmung und Nasenatmung zu achten und damit nicht nur die Muskeln und Gelenke aufzuwärmen sondern zugleich auch das Zwerchfell und die Atemwege.
Atmung während des Trainings
Nach dem Aufwärmen kann dann das eigentliche Workout beginnen. Um sich auch dabei die Atmung zu nutze zu machen und “wacher” zu werden, kann ein wiederholtes und kräftiges Ausatmen helfen.
Während des eigentlichen Trainings dann richtet sich die Atmung stark nach der Intensität des Trainings. Hier eine Empfehlung:
aerobe Belastungen mit geringer Intensität: gleichmäßiges Ein- und Ausatmen ausschließlich durch die Nase
aerobe Belastungen mit höherer Intensität: kraftvolles Einatmen über die Nase, normales Ausatmen durch die Nase
Training an der anaeroben Schwelle: kraftvolles Ein- und Ausatmen über die Nase
anaerobes Training mit geringer Intensität: Einatmen durch die Nase, Ausatmen durch den Mund
anaerobes Training mit höchster Intensität: Ein- und Ausatmen durch den Mund
Leistungssteigerung
Nicht nur die Intensität bestimmt die Atmung, sondern auch die Art des Trainings. So kann man beispielsweise beim Kraftausdauertraining sowie bei plyometrischen Übungen und Übungen mit dem Medizinball versuchen, in einen Atemrhythmus zu finden, der es einem erlaubt, während der konzentrischen Phase (z.B. beim Heben von Gewicht) auszuatmen und während der exzentrischen Phase (z.B. beim Ablassen von Gewicht) einzuatmen. Dabei empfiehlt es sich, durch die Nase ein- und den Mund auszuatmen. Um während der Pausen das meiste in Bezug auf Regeneration zu erreichen, empfiehlt es sich hier, die Atmung bewusst zu verlangsamen und zusätzlich darauf zu achten, länger auszuatmen als einzuatmen.
Eine Ausnahme in Bezug auf den Atemrhythmus stellt das maximale Krafttraining dar, also das Heben sehr schwerer Lasten. Hier hat die Atmung außerdem die Aufgabe, den Rücken zu stabilisieren und u.a. vor Verletzungen zu schützen. Das sog. “Bracing” soll aber Thema eines weiteren Blog-Artikels werden und wird hier daher nicht weiter erläutert.
Bei Ausdauerbelastungen ist es ratsam, so lange es geht an der Nasenatmung festzuhalten. Am Anfang kann das auch bedeuten, ggf. das Tempo und die Intensität etwas reduzieren zu müssen, um eine reine Nasenatmung aufrecht erhalten zu können. Diese Umgewöhnung zahlt sich über die Dauer aber definitiv aus. Der Körper gewöhnt sich relativ schnell daran und man wird bald schon Fortschritte merken.
Beim Laufen ist für gewöhnlich ein konstanter Rhythmus von 2:2 oder 2:3 üblich, das bedeutet, es wird für 2 Schritte eingeatmet und bei 2 bzw. 3 Schritten ausgeatmet.
Bei Kontaktsport bzw. Kampfsport ist es von Vorteil, bei jedem Schlag bzw. Tritt bis zum Kontakt hin auszuatmen. Sofern ein eigener Treffer nicht vermeidbar ist (und vorher auch erkannt werden kann), sollte man den Atem im Moment des Treffers anhalten, um eine bessere Stabilität zu haben.
Bei Übungen zu Verbesserung der Beweglichkeit, sei es reines Stretching, Mobility-Übungen, Faszientraining oder Yoga, ist jedoch das Luftanhalten meist ein Zeichen dafür, dass die Intensität der Übung zu hoch gewählt ist und die Übung zu schwierig ist. In diesem Fall reicht oft schon aus, den Bewegungsradius der Übung zu verringern, um die Atmung wieder zu normalisieren.
Atmung zur Regeneration
Nach dem Training bzw. im Cooldown ist es förderlich, so schnell wie möglich zurück zur reinen Nasenatmung zu gehen, um uns von der Belastung zu erholen. Dazu empfiehlt es sich, Atemtechniken anzuwenden, die eine längere Ausatmung im Bezug zur Einatmung favorisieren und damit den Parasympathikus angesprochen. Zum Beispiel könnte man im Rhythmus 4-2-6-0 atmen, was so viel bedeutet wie 4 Sekunden einatmen, 2 Sekunden den Atem anhalten und danach 6 Sekunden ausatmen und dann sofort ohne Pause weitermachen. Eine weitere Möglichkeit wäre ein Rhythmus von 2-2-4-2.
Atmung im Alltag
Generell eigenen sich der gerade angesprochene Atemrhythmen nicht nur zu Regeneration nach einem schweren Workout sondern ganz allgemein auch zur Stressbewältigung im Alltag. Das nächste Mal also, wenn dir im Straßenverkehr jemand die Vorfahrt nimmt, versuche, deine Emotionen besser zu kontrollieren und dich mit dieser Atemtechnik zu beruhigen. Es ist immer besser, einen kühlen Kopf zu bewahren und bewusst agieren zu können, anstatt sich von seinen Emotionen leiten zu lassen.
Auch bei der Arbeit vor einem wichtigen Meeting oder einer Präsentation, nach einem langen und stressvollen Tag oder direkt nach dem Aufwachen bzw. irgendwelchen Situationen, die einen unter Druck setzen, ist es lohnenswert, sich seine Atmung bewusst zu machen und sich auf tiefe Bauchatmung durch die Nase zu konzentrieren.
Das beste daran ist, dass man überall und nahezu zu jeder Zeit daran arbeiten und üben kann. Es kostet nichts und braucht auch keine besonderen Trainingsmittel dazu. So kann man sich beim Warten an der Bushaltestelle oder an der Kasse seiner Atmung bewusst werden oder beim Spazieren gehen verschiedene Atemtechniken ausprobieren.
Probiere selbst die verschiedensten Atemtechniken aus, und teste, welche sich für dich am besten eignet. Das Wichtigste ist, wie bereits erwähnt, sich im ersten Schritt der eigenen Atmung bewusst zu werden und dann vor allem aber konstant dran zu bleiben.
Wichtiger Hinweis
Wenn deine Atemfrequenz in Ruhe 20/Min. oder höher ist, solltest du dich von einem Arzt durchchecken lassen. Menschen mit niedrigem Blutdruck bzw. blutdrucksenkenden Medikamenten, Diabetiker und Schwangere müssen generell bei Atemübungen vorsichtig sein. Langsame und tiefe Atemübungen werden z.B. nicht für Personen mit sehr niedrigem Blutdruck empfohlen. Atempausen werden z.B. für Schwangere keinesfalls empfohlen und andere ungewohnte Atemtechniken können Wehen auslösen und sollten daher erst nach der Schwangerschaft erprobt werden.
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